60 Jahre Schulgebäude in der Oberweiler Strasse - was war vorher
“Unser Schulhaus war nicht immer in der Oberweiler Straße. Diesem Thema wollen wir in einer Serie von Berichten nachgehen. Gerne würden wir im Rathaus kleine Erfahrungsberichte sammeln oder Bilder und Dokumente abfotografieren, die zu diesem Thema passen. Herzliche Einladung an unsere älteren Bürgerinnen und Bürger, die sich noch an die Zeit vor der heutigen Schule erinnern.
In der alten Dorfchronik vom Schultheiß Fricker steht, dass das Schulhaus 1820/21 beim jetzigen Parkplatz gegenüber dem Rathaus direkt an der Straße von Leupolz nach Wolfegg gebaut wurde. Der Bauplatz war von Lorenz Zimmermann. Das Haus war 14,6 m lang und 8,15 m breit. Der Übersichtsplan zeigt, dass der Abstand zur Lehrerwohnung 46 m und zur Wirthschaft 40 m war. Die Schulräume waren im Erdgeschoss in diesem damals 1,5 – geschossigen Haus mit einem Giebeldach entlang der Straße. Man sparte damals Platz und baute direkt an der Straße. Die Plätze des heutigen Rathauses und des Retzbachhauses waren damals noch nicht bebaut. Mangels geeigneter Vermessungspunkte wurde der Abstand vom Schulhaus zur Lehrerwohnung und zur Wirtschaft angegeben.
Interessant ist auch, dass auf der Karte damals Wolfegg als Ziel der Straße angegeben wurde und nicht etwa Kißlegg. Die Wörter Wirthschaft und Eigenthümer wurden zu dieser Zeit mit th geschrieben. Die Karte wurde 1876 gezeichnet. Damals hieß unsere Gemeinde Praßberg im königlichen Oberamt Wangen.
Die Anfänge der Schule in Leupolz und in Praßberg
“Es gibt Berichte nach denen schon vor dem Schulhausbau 1820/21 Schulen existierten. Im Pfarrort Leupolz gab es nach einer Beschreibung der Pfarrstelle Leupolz eine Pfarrschule in der Lehrerwohnung des heutigen Gemeindehauses, weil der Lehrer auch Mesner gewesen sei. Dies muss man sich aber ganz bescheiden vorstellen mit einem Zimmer in der Lehrerwohnung.
In der Burg Praßberg wurde nach einem Protokolleintrag der Kirchenchronik am 23. Januar 1810 eine neue Schule eingeweiht. Auch hier muss man wissen, dass die Blütezeit der Burg schon lange Zeit Geschichte war.
Wenn man Wikipedia bemüht, um die Bildungsgeschichte dieser Zeit einzuordnen, liest man, dass in den katholisch gebliebenen Landesteilen die Durchsetzung der Schulpflicht äußerst zäh verlief. Besonders in der Landbevölkerung gab es Widerstand, weil die kleinbäuerlichen Betriebe die Arbeitskraft der Kinder als wichtiger einordneten als die Schulbildung. So gesehen war Leupolz schon sehr fortschrittlich mit der Einrichtung einer Schule. Der Name Schradi taucht in den Chroniken immer wieder auf. Franz Schradi, geboren 1756, gestorben 1828 war Meßmer und Lehrer. Immerhin ist es logisch, wenn der Mesner sich für die Bildung der Buben einsetzt, wenn man an den großen Bedarf an geistlichen Berufen denkt, die ja Gelehrte sein mussten.
Die Schule in Praßberg wurde schon 1822 wieder aufgelöst, weil sich die Einrichtungen der Gemeinde immer mehr an die Pfarrstelle in Leupolz umorientierten. Immerhin gibt es eine konkrete Erinnerung an diese Schule, weil der Großvater von Andreas Wandel hier zur Schule ging.
Entdeckung im Archiv Wolfegg
“Ludwig Achberger suchte 2010 im Archiv in Wolfegg nach Akten zum Schulhaus in Leupolz. Tatsächlich wurde er fündig. Unter diesem Stichwort kam ein alter bunt gezeichneter Plan zum Vorschein, mit Dokumenten und Handwerkerrechnungen aus dem Jahr 1819. Nach ausgiebigen Nachforschungen kam er zu dem Ergebnis, dass dieses Gebäude nicht zu den Plänen im Rathaus Leupolz passt. Weder der alte Plan von 1820 von der Lehrerwohnung neben der Wirtschaft, noch der Grundriss der Schule aus dieser Zeit stimmen mit dem Plan aus Wolfegg überein. Doch wo wurde dann dieses Haus gebaut? Interessant ist der Plan trotzdem, weil er aufzeigt, wie ein Schulhaus 1819 ausgesehen hat. Man kann sich vorstellen, dass der Mesner in dieser kleinen Hofstelle lebte und sich und den Pfarrer selbst versorgt und Kinder unterrichtet hat. Der Wohnteil war zu dieser Zeit wie üblich angeordnet. Nach der Haustüre stand man in einem langen Gang mit Holzherd und der Treppe zu den oberen Kammern. Vom Hausgang gelangte man in die Stube, die mit einem Ofen beheizt wurde. Die Wände waren gemauert, mit vielen Fenstern, in einem Haus, das ansonsten komplett aus Holz gebaut war. Auf der anderen Seite vom Gang kam man in den Ökonomiebereich mit Platz für drei Kühe und einer Tenne, die wohl als Unterstand für den Heuwagen diente. Hinter dem Haus, in der Nähe der Tiere kam man zum Abtritt, dem damals so bezeichneten Plumpsklo.
Entwicklung der alten Schule
“Die alte Schulgeschichte in Leupolz wurde von vor 1800 bis 1889 von insgesamt drei Generationen der Familie Schradi geprägt. 1841 an Jakobi, das ist der 25. Juli, kam ein zweiter Lehrer nach Leupolz. Das heißt nichts anderes, als dass die Bedeutung der Schule gesteigert wurde. Der Lehrergehilfe Joseph Anton Hammer, ein Schulmeister aus Unterschwarzach, kam unmittelbar vom Lehrerseminar in Schwäbisch Gmünd. Ein zweiter Lehrer war ein dringendes Bedürfnis, weil die Schülerzahl schon 1828 auf 138 gestiegen war. Mit dieser Anzahl kam bestimmt auch damals ein einzelner Lehrer nicht gut zurecht.
1869 gründeten die Gemeinde und die Kirche ein neues Organ, um den Schulbetrieb zu verbessern. Diesem Ausschuss gehörten 8 Mitglieder an. Später zum Schulhausneubau stockte man die Anzahl auf 10 auf. Die Verbesserung des Schulbetriebs war auch damals der Antrieb, die Vergrößerung der Schule eine drängende Notwendigkeit. Beim Lesen der Texte werden Parallelen zu heute deutlich spürbar.
Die Protokolle einer Sitzung des Gemeinderats schlossen oft mit folgendem Wortlaut:
„Vorstehendes Gesuch seinem königlichen Oberamt zur Einholung der Genehmigung mitzuteilen. Gemeinderath, Schultheiß Fricker, Grabherr, Blattner, Mohr, Zimmermann, Sieber, Kübler.“
Schulhausneubau 1876
“Das neue Gemeindeorgan für ökonomische Angelegenheiten der Schule, bestehend aus Mitgliedern der Kirche und der Schule, bereitete ab 1869 die Vergrößerung des Schulgebäudes vor. Die Rahmenbedingungen waren durchaus bewegt. 1870, beim Krieg mit Frankreich, waren auch Soldaten aus Leupolz eingerückt. 1871 starb Schultheiß Xaver Fricker mit 36 Jahren, sein Bruder Ambros wurde in dieses Amt gewählt. 1875 wurde die Markwährung eingeführt, abgelöst wurde der bis dahin gültige Gulden. Anstatt der Längenmaße Fuß und Schuh kam das Metermaß.
1876 wurde das einstöckige Schulhaus abgebrochen und an dessen Stelle im Laufe des Sommers, nach dem Plan von Werkmeister Spieler aus Wangen, vom Maurermeister Schmid ein neues 16 Fuß (ca. 4 m) längeres, zweistöckiges, helles Schulhaus gebaut. Ohne Hand- und Spanndienste kostete das Gebäude 16.000 Mark.
Der alte Plan ist bei genauem Betrachten sehr interessant. Die Bemaßung ist gemischt in Meter und in Fuß. Die Außenmaße sind in Meter angegeben, die Innenmaße in Fuß. So ist der Raum für die ersten vier Klassen 26 auf 27,5 Fuß (8,1 m) groß und bietet Platz für 77 Kinder. Der Lehrer hat seinen Platz auf einem Podium, die Kinder sitzen in Bänken, die zu dieser Zeit „Subsellium“, „Subsellien“ heißen. Der Hausflur hatte damals die altdeutsche, süddeutsche Bezeichnung „Öhrn“. Das Plumpsklo für den Lehrer heißt Abtritt und ist ganze 90 cm breit. Für die Heizung wurden runde Kanonenöfen aufgestellt.
Verwaltung zum Zeitpunkt des Neubaus 1876
“Die Baugenehmigungen sind aus dieser Zeit noch alle erhalten geblieben. Bei der Durchsicht sind Begriffe aufgefallen, die so heute nicht mehr bekannt sind.
Der Donaukreis war einer von vier Kreisen des Landes Württemberg. Er wurde 1818 gebildet und 1924 aufgelöst. Hauptstadt des Kreises war Ulm. Funktional ist er in etwa mit einem heutigen Regierungsbezirk zu vergleichen, nicht aber mit einem heutigen Landkreis. (Wiki)
Das Oberamt Wangen, das 1934 in Kreis Wangen umbenannt wurde, war für die Bauvorschriften zuständig. Ihr Amtsleiter in dieser Zeit, Theodor Funk, hat das Dokument unterschrieben.
Ein Teil der Bauvorschriften liegt als gedrucktes Formular vor, mit schöner, verschnörkelter Schrift. Ein großer Teil befasste sich mit der Heizung des Gebäudes, dass Ofenrohre und Rauchzüge mit genügend Abstand zum Holzgebäude gebaut wurden. Die Anpassungen und sonstigen Vorschriften wurden vom Schultheiß und Ratschreiber von Hand eingetragen. Die Schreibmaschine war zu dieser Zeit noch nicht vorhanden, brauchbare Geräte standen erst im 20. Jahrhundert zur Verfügung.
Einweihung des Schulhausneubaus 1876
“Am Dienstag, den 07. November 1876 druckte „Der Argen-Bote“ folgenden Bericht:
Am letzten Montag feierte Leupolz ein ebenso schönes als freudiges Fest, die Einweihung ihres im Laufe des vergangenen Sommers erbauten Schulhauses. Böllersalven verkündeten schon in der Früh die Festlichkeit des Tages. Um 9 Uhr war feierlicher Gottesdienst mit anschließender Prozession zum Schulhaus. Voran zog die von Herrn Lehrer Schradi gut geschulte Blechmusik. Unter Böllersalven zogen die Kinder, Lehrer, Eltern und Gemeindevorstände ins neue Schulhaus ein. Darauf folgte die kirchliche Benediktion, in dessen die Kinder und alle Anwesenden laut beteten. - Vom Schulhaus bewegte sich alsdann der Zug ins Wirthshaus, wo Herr Pfarrer Sauter in längerer, meisterhafter Rede über Schule, Unterricht und Erziehung, Zusammenwirken von Familie, Schule und Kirche sprach. Ein dreifaches Hoch der Kinder, auf Eltern, Lehrer und Gemeindevorstände war der alsbaldige Ausdruck ihres freudigen Dankes. – Jetzt ging es auf den Festplatz zu den Spielen. Über Mittag wurden die Kinder auf Kosten der Gemeinde reichlich bewirthet. Den Schluss bildete eine Lotterie, bei welches jeder der 110 Kinder einen schönen Gewinn mit nach Hause nehmen konnte. Hocherfreut trugen sie um 4 Uhr ihre Gewinne nach Hause. - Unter den zurückgeblieben Vätern der Gemeinde entwickelte sich noch bis in die Nacht hinein ein sehr heiteres Leben. Ein schöner Tag war es für Jung und Alt, aber auch ein Ehrentag für die Gemeinde, welche in wenigen Jahren für Lehrerhaus, Kirche und Schulhaus große Opfer gebracht hat.
Von Zeiten der Monarchie bis zum Ende der Konfessionsschule 1936
“Während es in Stuttgart schon 1903 vielfältige Diskussionen über das Verhältnis von Kirche und Staat in der bestehenden Monarchie gab, merkte man im fernen Allgäu davon wenig. Wie gewohnt organisierten die Kirche und der Ortsschulrat in Leupolz ihre Schule. Ab und zu gab es eine Gemeindevisitation des Königlich Katholischen Oberschulrats mit Eintrag ins „Rezessbuch“, bei der allgemeine Standards verbessert wurden. So wurde 1904 die Anbringung eines Thermometers in Celsius und das erste Handwaschbecken für die Schule angeordnet. Dies sollte der Gesundheitsvorsorge dienen, weil zum Beispiel beim Ausbruch von Masern immer gleich die ganze Schule in Mitleidenschaft gezogen wurde.
1908 entstand aus der Sonntagsschule für die aus der Schule entlassenen Jugendlichen eine sogenannte Fortbildungsschule für die Jungen und Handarbeitsunterricht der Schwestern für die Mädchen. Das war natürlich günstiger als der Besuch einer weiterführenden Schule, die sich nicht alle leisten konnten. 1912 wurde der Hauptlehrer Dürr Schulvorstand einer 3-klassigen Volksschule im Dorf.
Ein Erlass des Bezirksschulamtes Leutkirch vom 18. Juli 1936 besagt, dass auch Leupolz, wie andernorts, an Stelle der bisherigen Konfessionsschule, die „Deutsche Volksschule“ errichten musste. 1939 bis 1945 konnte Religion nur in der Kirche gelehrt werden. Trotz allem blieb die Kirchengemeinde dabei und stellte dem neuen Lehrer Mayer eine frisch gerichtete Wohnung zur Verfügung. Das ganze Dorf trug dazu bei, dass der Unterricht erfolgreich weitergeführt werden konnte.
Vom Spritzbrunnen an der alten Schule
“Unsere älteren Bürger können sich noch gut an den Schulbetrieb von damals erinnern. Überhaupt ist es doch so, dass diese Zeit ein ganzes Leben lang prägt.
So erinnert sich Mathilde, heute 88 Jahre alt, gut an ihre Schulzeit. Schon in aller Frühe sorgte die älteste Schwester für passendes „Häs“ und dass, so lange sie in die Unterklasse ging, die Tafel im Schulranzen sauber war. Wenn die Schule den ganzen Tag dauerte und kein anderer der Familie die Thermosflasche brauchte, wurde eine Tasse heiße Milch eingefüllt. Jeder brachte selbst zur Schule mit, was er zum Essen und Trinken brauchte. Während des Sommers war es ganz normal, dass sich alle barfuß auf den Kiesstraßen auf den Weg nach Leupolz machten. Unterwegs traf man dann den Gemeindearbeiter, früher „Wegknecht", Fuchsschwanz mit einer zweirädrigen Schubkarre und einer Schaufel beim Ausbessern der Schlaglöcher. Nach der Hälfte der drei Kilometer langen Strecke kam die Kirchturmuhr zum Vorschein. Jetzt hieß es meistens mehr Tempo und springen bis zur Schule, weil man nicht zu spät kommen durfte. Zur Mittagszeit ging es dann auf den Schulhof, der hinter der Schule war. Dieser durch einen Zaun begrenzte Hof befand sich dort wo heute der Parkplatz ist. Mathilde war dann froh, dass die Thermosflasche mit Milch im Schulranzen steckte. Sobald leergetrunken war, musste die Flasche am Spritzbrunnen ausgespült werden. Dieser Brunnen war an der Westseite, an der Außenwand des Schulgebäudes. Das Wasser kam von der Weiherhalde, gleich nebenan. Der Wasserstrahl aus dem Brunnen war so stark, dass das Glas augenblicklich zerplatzte. Bitterlich weinend kam Mathilde heim und berichtete von ihrem Missgeschick.
Schulausflug nach Möggers
“Walter kann sich noch gut an seine Schulzeit, die 1949 begann, erinnern. Fräulein Weber war eine beliebte Lehrerin. Die Klassen 1 bis 4 unterrichtete sie gemeinsam in einem Zimmer an der Nordseite der Schule. Die Schulausflüge, die sie organisierte waren, eine willkommene Abwechslung im Schulalltag, wenige Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs. Möggers war eines der Ziele, weil man die weiße Kirche als markanten Punkt oberhalb des Bodensees in der Nähe des Pfänders von Weitem sieht. Zum Ausflug musste jeder ein Vesper und seinen Trinkbecher mitbringen. Auf große Fahrt ging es mit einem LKW des Fuhrbetriebs Fackler. Um den Komfort zu erhöhen, wurden auf dem Lastwagen Bänke aufgestellt, so ähnlich wie bei Militärtransporten. Möggers liegt bekanntlich in Österreich, kurz hinter der Grenze, die zu dieser Zeit noch streng bewacht wurde. Wer mit dem LKW nach Möggers wollte, musste am Grenzposten Beförderungsgeld bezahlen. Um diese Abgabe zu sparen, parkte der LKW vor dem Grenzübergang und ein Fußmarsch zur Kirche hoch begann. Am Dorfbrunnen angekommen, packte jeder sein Vesper aus und schöpfte frisches, kaltes Wasser aus dem Brunnen. In diesen Becher Wasser streute die Lehrerin jeder Schülerin und jedem Schüler ein Päckchen Brausepulver. Die Brause war zu dieser Zeit eine riesige Attraktion. Noch 70 Jahre später erinnern sich die Schüler an das schöne, prickelnde Erlebnis gerne zurück.